Das Geschenk der Entschleunigung

Das Geschenk der Entschleunigung

 

Während vor dem Fenster das Leben verlässlich sich selbst wiedergebiert und in grün-gelb-zart weiß- zwitschernd explodiert, ist es ansonsten ungewohnt leer und still. Draußen, und drinnen, in mir. Wir sollen ja auch zu Hause bleiben, in diesen Corona-Zeiten. Zum Glück habe ich mein zu Hause wie eine Schnecke immer dabei, nur trage ich es unsichtbar in mir.

 

Das Leben lässt sich nicht aufhalten, der Frühling ist da. In mir pulsiert es taufrisch. Vieles ist nun anders. Erfreut stelle ich fest, dass mein Alltag natürlicher wird. Meine Jungs und ich stehen gut gelaunt ohne Wecker nach der inneren Uhr auf. Und das ist gar nicht so spät, wie zunächst angenommen. Der Terminkalender ist überflüssig geworden, da es keine Verabredungen und kaum noch Termine gibt. Ich stelle fest, dass mein Kopf angenehm leer wird. Denn ich muss mir nicht mehr 100 Dinge merken, die zu tun sind oder diese gar aufschreiben, um ja nichts mehr zu vergessen. Ich schreibe nur noch Einkaufszettel. Und auch da weiß man nie so genau, ob man bekommt, was man meint zu brauchen. Wie im echten Leben. Das Einkaufen wird zu einem meiner Highlights. Rausgehen, mal andere Menschen sehen als meine engsten Angehörigen. Abenteuer erleben (gibt es heute Nudeln? Wie ist die Stimmung an der Kasse?).

 

Alle Termine sind abgesagt. Es ist ungewiss, wann und wie es haupt- und in meinem Fall auch freiberuflich weitergeht. Oder ob die geplanten Urlaube stattfinden können. Ich lasse mich immer mehr in diese neue Zeit sinken. Da ist nicht mal Enttäuschung. Ich habe nicht unbedingt mehr Zeit, jedoch mehr Freiräume und bin flexibler als vorher. Bei uns zu Hause ist Homeschooling und Homeoffice angesagt. Ich falle um 21:30 Uhr bereits halb schlafend ins Bett und schlafe so gut wie lange nicht mehr. Keine Gedankenspiralen.

 

Plötzlich packen wir unaufgeregt und intuitiv lang aufgeschobene Projekte an: entrümpeln, umräumen, verschönern. Auch hier entstanden die Aktionen aus einem natürlichen Impuls heraus zu handeln. Der Zeitpunkt war reif und durch die neue Lebensform und erzwungene Entschleunigung ist RAUM entstanden.

 

Vieles was jetzt ist, habe ich mir gewünscht: weniger um die Ohren, weniger Gleichzeitigkeiten und Zeitdruck, mehr Zeit mit der Familie, draußen und dem, was mir wichtig ist: mein innerer Weg. Auch das erzwungene Ende in einem großen privaten Projekt, was mich bisher viel Kraft gekostet hat und nun angenehm gekühlt auf Eis liegt. Ich habe das Gefühl, das es dort viel besser aufgehoben ist, als bei mir. Und das es sich genauso wandeln wird, wie alles in dieser Zeit. Ganz ohne mein herumwursteln darin.

 

Stattdessen sitze ich in Frieden mit meinem Tee auf der Couch, statt seelenlos ins Handy zu starren. Ich meditiere wieder täglich. Ich BIN oft einfach nur. Wir fahren viel Rad, beobachten Vögel, freuen uns wie Bolle darüber, dass man zu mindestens noch ein Eis in der Lieblingseisdiele bekommt, auch wenn man es dort nicht mehr essen darf. Kleine Freuden, wunderbare Freuden.

 

Ich bin täglich draußen und freue mich über kecke Rotkehlchen, Narzissen und schnatternde Enten. All dies ist Balsam für meine Seele, der mir immer angeboten wird, ich jedoch oft in meiner Hektik ausgeschlagen habe. Ich gebe mich dem Nichtwissen und der friedvollen Stille hin, die in diesen Zeiten deutlich hervortritt. Sie war nie wirklich weg, nur habe ich sie nicht mehr bemerkt.

 

Und wenn die kollektive Angst auf mich überschwappt, nutze ich dies als Einladung, damit beobachtend zu SEIN und sie dadurch liebevoll zu transformieren. Es ist so oft gar nicht meine Angst, die ich derzeit spüre. In der U-Bahn, bei Rewe.

 

In wenigen Tagen wird meine neue Erdklangflöte eintreffen. Ein ganz besonderes Instrument habe ich mir damit gegönnt. Und ich werde mit ihr in den Wald gehen und den Rotkehlchen intuitive Lieder vorspielen, die aus meiner Seele sprudeln werden, ohne irgendetwas zu wissen, ohne etwas besonders zu bezwecken.

 

Das Virus und seine Auswirkungen hat mir viele Wünsche erfüllt. Wünsche, die ich sogar vor mir selbst geheim gehalten habe und auch weniger geheime. Oft fühlte es sich zu Beginn wie ein Eingriff in meine Freiheit an (sagte mein Verstand/Ego), aber tief in mir weiß ich, dass es mich in die Freiheit führt, mich an sie erinnert. An mich selbst und was ich wirklich bin.

 

Das Leben lässt sich nicht aufhalten. Auch nicht durch den Wandel und Vergehen der Formen, des manifesten. Die Natur zeigt uns dies im Frühling wieder ganz deutlich. Diese Welt ist höchst vergänglich und das Festhalten an etwas Vergänglichem bringt immer Leiden. Ich trage mein zu Hause in mir, genau wie du. Jetzt ist die Zeit und Chance, es in uns zu finden.

 

Dies ist das famose Geschenk dieser erzwungenen Entschleunigung und ich packe es voller Freude aus.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Jula (Sonntag, 05 April 2020 01:58)

    Schön dich so zu fühlen!
    Danke,
    Jula

  • #2

    Barbara (Sonntag, 05 April 2020 07:34)

    Danke liebe Monika, ich werde jetzt auch mehr auf all die
    tatsächlichen? Entwicklungen in dieser C Krise verzichten und..........meditieren um das neue Bewusstsein mehr in unsere Realität zu bringen. Liebste Grüsse von Ba